Die Bedeutung des Ortsnamens Rodau
Der Ortsname Rodau (Roore) ist wahrscheinlich eine Zusammensetzung aus den beiden Bestandteilen Rod und Aue. Eine Aue ist eine von den Überschwemmungen eines Baches geprägte landschaftliche Senke. Das Rodauer Siedlungsgebiet entspricht genau dieser Definition einer Bachaue. Um hier siedeln zu können, wurde die Aue des Rodauer Baches an der Stelle des heutigen Dorfes gerodet, d.h., von Bäumen und Gehölz befreit, sodass ein(e) Rod (Rodung) entstand. In Südhessen gehen viele weitere Ortsnamen auf eine solche Rodungssiedlung zurück: Nonrod, Ober-/Nieder-Roden, Herchenrode, Bockenrod.
Neben dieser naheliegenden Erklärung gibt es auch noch zwei alternative Herleitungen: Einerseits könnte Rodau auch eine Zusammensetzung aus der Farbe rot und dem alten Wort Aha für Wasser sein, sodass die Siedlung nach einem braun-rötlichen Gewässer benannt ist. Andererseits könnte der Name auch keltischen Ursprungs sein. Der erste Bestandteil würde demnach auf keltisch rhedu (schnell) oder rheid (langsam) zurückgehen. Gemeinsam mit dem bekannten Aha würde Rodau dann ein schnell oder langsam fließendes Gewässer bezeichnen.
Die Bedeutung der Rodauer Flurnamen (Auswahl)
Altscheuer (die Oldscheijer). Der auch als „Heuneburg“ bezeichnete Ringwall, bei dem es sich (wahrscheinlich) um eine alemannische Königs- oder Schutzburg aus dem 4. Jahrhundert handelt, liegt auf der flachen Kuppe des 376 Meter hohen Berges Altscheuer zwischen Lichtenberg und Rodau. Die Überreste der Wallanlage haben die Namensgeber wohl an das Fundament einer Scheune (Scheuer) erinnert. Das angrenzende Waldgebiet auf Rodauer Seite trägt ebenfalls diesen Namen.
Ewitzweg (die Eweds). Der Name leitet sich vom Wort Ebene her, an das dialektal noch ein konsonantischer Auslaut getreten ist: die Ebentz. Läuft man den Ewitzweg hinauf, kann man hinter dem Wingertsberg tatsächlich eine recht große Hochebene bis zur Hohen Straße erkennen.
Hebebrünnchengraben (es Hewebrinnsche). Der in den Rodauer Bach fließende Graben entspringt wohl auf einem ehemaligen Weideplatz für Ziegen. Ein veraltetes Wort für diese Tiere ist Hippe, im Dialekt als Häwwe oder Häwwesje bezeichnet. Alternativ könnte die Form des Flurstücks ausschlaggebend gewesen sein: Hippe wird auch ein sichelförmiges Werkzeug für Gärtner oder Winzer genannt.
Hellersberg (de Hellerschberg). Der Name des Berges, der sich südöstlich der Bocksmühle erhebt, kann zweierlei bedeuten: Einerseits ist als Herkunft die frühere Währungseinheit Heller wahrscheinlich; der Besitzer oder Pächter des Flurstücks könnte also eine bestimmte Menge Heller als Abgabe bezahlt haben müssen. Andererseits bezeichnen Häller im rheinfränkischen Dialekt dürre, abgestorbene Äste von Waldbäumen. Vielleicht wurden hier früher vermehrt solche Äste zum Feuermachen gesammelt.
Hofgasse (die Houfgass). Das Flurstück in dem Bereich, in dem die heutige Hauptdurchfahrtsstraße eine 90-Grad-Kurve macht, wird Hofgasse genannt. Der Name bezieht sich darauf, dass hier der Weg vom Dorf zum etwas weiter außerhalb gelegenen Rodauer Hofhaus abzweigt. Früher hieß die Straße zum Hofhaus sogar „Hofgasse“, heute heißt sie „Hauptstraße“.
Jochertweg (im Gocherd). Der Begriff bezeichnet ein Ackermaß. Ein Jochert entspricht der Fläche, die man mit einem Paar Ochsen an einem Tag pflügen kann. Im Dialekt können Anlaut und Vokale schwanken: Ältere Karten von Rodau verzeichnen den Namen als Gochert, in Groß-Bieberau lautet der gleichbedeutende Straßenname Jochartstraße.
Leidert (die Leired). Der Name hat zwei Bestandteile: Leite und Hart, ursprünglich also Leithart. Der zweite Bestandteil ist ein weit verbreiteter Begriff zur Bezeichnung einer bewaldeten Anhöhe (z.B. auch in Spessart). Der erste Bestandteil kann auf zwei Gegebenheiten hinweisen: Erstens könnte es auf das Wort Leite, ein Berghang oder Abhang, zurückgehen. Es wäre also ein Waldstück gemeint, das an einem Berghang liegt. Zweitens ist auch das Verb leiten als Ursprung wahrscheinlich. Durch dieses Waldstück wurde also ein Weg geleitet (bzw. geführt), der befahren war, also ein „Fahrwald“. An der oder durch die Leired verlief der ehemalige Hauptverbindungsweg nach Groß-Bieberau.
Nobkunz. Der Name des Waldstücks am Nordrand der Rodauer Gemarkung geht wohl auf den Familiennamen eines ehemaligen Besitzers zurück.
Presseläcker. Der Name des Flurstücks zwischen Brückenstraße und Jochertweg, das vom Bierbach durchflossen wird, ist nicht sicher erklärbar. Einerseits gibt es das dialektale Wort Brossel oder Bressel, das mit dem Wort Bursche (bzw. Bürschlein) verwandt ist und so viel wie ‚dicker Kerl‘ meint. Gehörten diese Äcker also einer Person, der man diese Eigenschaft zuschrieb oder die womöglich so hieß? Nicht in Betracht gezogen wird von den Quellen die lautliche Ähnlichkeit mit Preiselbeere, dem Wort für eine weit verbreitete rote Waldbeere. Vielleicht wuchsen hier früher besonders viele solcher Sträucher.
Stuppelsgarten (de Stuppelsgoarde). Für diesen Straßennamen kommen zwei Erklärungen infrage: Erstens könnte ein Garten gemeint sein, auf dem „gestoppelt“ wurde, d.h., bei der Ernte verlorene Ähren oder Trauben werden zwischen den Stoppeln (abgeschnittene Halme) meist von der ärmeren Bevölkerung nachgelesen. Zweitens ist durch den Genitiv auch der Name des einstigen Besitzers wahrscheinlich: des Stuppels Garten, also der Garten einer Person namens Stuppel.
Wingertsberg. Das Wort Wingert ist eine zusammengezogene und lautlich geschliffene Entwicklung der Vollform Weingarten. Der in Südhessen verbreitete Flurname zeugt davon, dass hier früher Weinbau betrieben wurde. Da der Wingertsberg zur Hauptstraße hin nach Süden abfällt, scheint sich dieser Ort in Rodau besonders gut dafür geeignet zu haben.
Verwendete Quellen
- Bossler, Ludwig (1884): Die Ortsnamen von Starkenburg und Rheinhessen. Germania. Vierteljahresschrift für deutsche Altertumskunde 29. 307–336.
- Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (1854–1961). Digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB>.
- Ferguson, Robert (1862): The river-names of Europe. London.
- Henkelmann, Karl (1906): Das Odenwälder Bauernhaus. Beilage zum Jahresbericht des Grossherzoglichen Gymnasiums zu Bensheim. Bensheim.
- Sturmfels, Wilhelm (Hg.) (1936): Die Ortsnamen Hessens. Etymologisches Wörterbuch der Orts-, Berg- und Flußnamen des Volksstaats Hessen. 3. Aufl. Gießen.
- Südhessisches Flurnamenbuch (2002). Herausgegeben von Hans Ramge. Bearbeitet von Jörg Riecke (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. N.F., Bd. 23). Darmstadt: Hessische Historische Kommission, <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/shfb>.
- Südhessisches Wörterbuch (1965–2010). Begründet von Friedrich Maurer. Nach den Vorarbeiten von Friedrich Maurer, Friedrich Stroh und Rudolf Mulch bearbeitet von Rudolf Mulch. Marburg: Elwert, <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/shwb>.